„das ist doch gemein
(-schaftliches Wohnen, wenn ALLE machen können, was sie wollen!)”
Entwurfsaufgabe war die Transformation eines suburbanen Einfamilienhauses am Rande der Stadt Aachen. Über die Annonce eines Immobilienmaklers und eine anschließende Besichtigung näherten wir uns der rigiden Betonschottenstruktur des Bestandes. Programmatisch haben wir das auf eine Familie + Einlieger ausgelegte Haus um fünf mögliche Einheiten erweitert, sodass der Entwurf letztendlich bis zu sieben unterschiedlich große, in ihren Belegungen den Bundesdurchschnitt der Haushaltsgrößenverteilung abbildenden, Wohnungen beinhaltet. Die Bestandsstruktur wurde dabei zunächst auf ihre Erweiterbarkeit untersucht und schließlich in nahezu jeder Dimension erweitert oder überhöht. Im Folgenden eine atmosphärische Beschreibung des kollektiv bewohnten Entwurfs:
Von der Kirchfeldstraße-Straße links abgebogen erstreckt sich die Siedlung aus den 70ern. Aus dem Wrack des gesunkenen Traums vom Einfamilienhaus erwächst eine Arche der Hoffnung, des Glaubens an die Gleichzeitigkeit von Gemeinschaft und Individualität. Die giebelständige Schaufassade öffnet sich zur anliegenden Straße. Garagentore formen die bossierte Plinthe. Second Hand Möbelläden, an den Straßenraum grenzende Küchen und Autoreparaturen tun sich auf. In Abwechslung mit Carrara, Adneter und Grünem Guatemala wird die Fassade des Obergeschosses durch wiederverwendete Fenster aus dem Bestandsbau zergliedert. Im oberen Abschluss deutet sich ein aufgesetztes Volumen mit kleinen Belüftungsluken an. Der Eingang reiht sich in die Schotten-formende Struktur des Bestands ein und wird durch ein gelüftetes Vordach markiert. Tunnelartig inszeniert, markiert von oben fallendem Licht, ist der Wendepunkt zur Haustür. Die gemeinsame Garage findet sich am bekannten Ort an, der nun schillernde Karosserien mit Nabendynamo und Stützrad beherbergt.
Den Blick die Raumfolge hinab gewendet eröffnet sich eine Werkbank und zahlreiche Regale mit Schraubgläsern voll eingemachtem Gemüse. Dem einfallenden Licht folgend wird die aufschwingende Treppe erklommen und das Obergeschoss erreicht. Der Blick fällt auf eine knittrige Couch und Überreste des letzten Harry-Potter-Film-Marathons. Konzentrierte Tippgeräusche und ein gelegentliches Kaffeeschlürfgeräusch offenbaren einen Schreibtisch im Hintergrund. Einer halben Drehung folgend erstreckt sich der Kochraum. Hinter dem Herd erscheinen schemenhafte Thymian- und Rosmarinbüsche. Rechter Hand gibt ein Fenster Einblick in das soeben durchschrittene Treppenhaus und eine Couch in gleicher Ebene. An Kitchen-Aid, High-Tech- Mixer und vor sich hin schnippelnden Kindern vorbei, wird bereits der Tisch gedeckt. Frische Luft strömt aus dem anschließenden Garten durch die offene Terassentür, hin zum gegenüberliegenden Pendant. Die gepflasterte Terrasse weicht allmählich Kornblumen und Mohn, dahinter sonnt sich ein vernachlässigtes Cricket Spiel. Den Abschluss des Gartens bilden hölzerne Schiebetüren. Durch die Rhododendren hindurchgeblickt erhaschen wir einen Blick auf die Nachbarschaft. Durch eine halbgeöffnete Glastür bahnt sich der Weg in den anschließenden Raum. Eine Efeutute umrankt ein Schuhregal, kreischende Stimmen dröhnen vom Nachbarn, doch die Teller scheinen feinsäuberlich gestapelt im Regal. Der Richtung einer angelehnten Leiter folgend hängt ein Zipfel blau gemusterter Bettwäsche vom erhöhten Futon.
Der Blick geradeaus gibt die Sicht auf die ruhig daliegende Grundschule auf der anderen Straßenseite frei. Sich hinter einer Klappe hervor schlängelnd, befüllt ein Gartenschlauch den aufblasbaren Swimmingpool. Aktuelle Songs röhren aus dem Radio. Eine Katze schleicht elegant die hölzerne Treppe hinab. Unten angekommen weicht sie Bergen von Hügeln, einem Bahnhof und drei zu reparierenden Eisenbahnwaggons aus, um es sich schließlich nach einem beherzten Sprung auf dem Gleisbett gemütlich zu machen. Der elektrische Motor des Rolltors schnattert und die Sicht öffnet zurück auf die angrenzende Straße.
Der Entwurf formuliert die Idee, sich vom Gedanken der einen, vermeintlich richtigen Lösung des sowohl kollektiven als auch individuellen Wohnens zu lösen und zu versucht Räume nicht hinsichtlich ihrer Programmierung zu definieren, sondern vielmehr Optionen zu generieren. Im Vergleich zu herkömmlichen Wohnförderrichtlinien wurden keine Funktionen bestimmten Quadratmeteranzahlen zugeordnet, sondern es wurde versucht Räume und Bereiche mit unterschiedlichen Qualitäten hinsichtlich Proportion, Akustik, Flexibilität, Schaltbarkeit und Privatsphäre zu schaffen.
Die 14 indeterminierte Individualräume von mindestens 8qm reihen sich an der nord-westlichen Fassade auf, sie sind durch einen optionalen Flur miteinander verbunden. Jeder dieser Räume ist zunächst der individuellen Benutzung und Aneignung einer Person zugedacht, kann jedoch auch dem Kollektiv der jeweiligen Wohneinheit zugeschlagen werden. Sieben von diesen Zimmern finden mit einem kleinen Vorplatz direkten Anschluss an den Straßenraum, während die übrigen sieben im Obergeschoss liegenden Räume mehr Privatsphäre genießen. Hinter jenen gliedert sich eine einbauschrankartige Kernzone an, welche anschließende Räume mit Leitungen und Haustechnik versorgt sowie die vertikale Erschließung und ausgebaute Nasszellen beherbergt. Die anschließenden Optionalräume bilden einen Puffer zwischen performativ-privaten und determiniert-kollektiven Zonen und sind ambivalent hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit lesbar. Doppeltüren formen eine Enfilade zu angrenzenden Wohnungen, während Schiebetüren den Anschluss an die gemeinschaftliche Zone bilden.
Der permanent-kollektiv genutzte Bereich gliedert sich von Ost nach West in die determinierten Funktionen eines klassischen Einfamilienhauses: Arbeiten, Wohnen, Kochen, Essen und eine anschließende Terrasse mit Garten. Der Traum (des kleinen Mannes und) der großen Frau!